Dienstag, 17. Februar 2015

Rollenspiel: Logik, Weisheit, Wahnsinn - Teil 1: Vorstellung

Ich bin beim Durchwühlen meiner Archive kürzlich auf ein ziemlich knuffiges Rollenspielsystem gestoßen, dass ich hier einmal kurz vorstellen möchte. Es eignet sich wohl besonders für spontane Runden: Die Regeln sind leicht zu merken und dabei robust genug, dass man auch problemlos improvisieren kann, wenn einem nach dem dritten Glas Wein dann doch die eine oder andere entfällt. Und außer Papier, Stift und Würfeln benötigt man weiter nichts.

Am Rande: Ich gehe hier der Einfachheit halber von einer "klassischen" Runde mit einem Spielleiter und 1-6 Spielern aus. Jede andere Konstellation (mehrere oder gar kein Spielleiter, Solospiel etc.) ist aber ebensogut denkbar. Tips dazu sowie zum Spiel ohne Vorbereitung in einem späteren Post, sofern ich die Zeit finde.

Aber kommen wir doch allmählich zu den Regeln...


Ressorts und Pfade

Jeder Charakter wird durch vier grundlegende Eigenschaften (genannt Ressorts) beschrieben, die seine Kompetenz in geistigen, körperlichen, sozialen und seelischen Belangen umfassen. Jedem Ressort sind in der Regel drei "Pfade" zugeordnet, die unterschiedliche Herangehensweisen oder Philospohien darstellen. Die Pfade können je nach Setting oder Genre sehr unterschiedlich aussehen, beispielhaft sei hier meine Standardauswahl genannt:

Intellekt (geistig): Logik, Weisheit, Wahnsinn
Körper (körperlich): Gewalt, Finesse, Hast
Charisma (sozial): Instinkt, Etikette, List
Moral (seelisch): Wille, Inspiration, Glaube

Jeder Pfad besitzt einen Wert - je höher, desto besser - auf den gewürfelt werden kann. Erlittener Schaden senkt den Wert eines Pfades.


Proben

Ist der Erfolg einer Aktion unsicher, wird gewürfelt. Der Spielleiter bestimmt in der Regel nur das Ressort. Es obliegt dem Spieler des Charakters, zu entscheiden, welchen Pfad er benutzen möchte. Meist ist das derjenige mit dem höchsten Wert - sofern dieser nicht bereits durch Schaden gesenkt wurde.

Gewürfelt wird mit 2W6. Die Probe gilt als erfolgreich, wenn das Ergebnis gleich oder niedriger als der Wert des Pfades ist. Der Grad des (Miss-)Erfolges ergibt sich aus der Differenz von Wurfergebnis und Pfadwert.


Konflikte

In einem Konflikt (Kampf, Debatte, Wettbewerb etc.) wählt jeder Beteiligte einen Gegner und legt eine Probe ab. Ist sein Erfolgsgrad höher als der des Gegners, sinkt dessen Wert in dem Pfad, den dieser für seine Probe verwendet hat, um die Differenz.


Beispiel: Kampf um die Laute

Gorm der Barbar will Alessa der Bardin ihre Laute abnehmen. Er setzt dazu auf "Gewalt", worin er einen Wert von 8 hat. Alessa lässt sich das natürlich nicht gefallen und kontert mit "Finesse" (Wert 7).

Gorm würfelt eine 9 und erreicht damit einen Erfolgsgrad von 8 - 9 = -1.
Alessa hat mehr Glück: Die Würfel zeigen eine 4, das ergibt einen Erfolgsgrad von 3.

Alessas Spieler entscheidet, dass sie Gorm geschickt ein Bein stellt. Der stürzt unglücklich und prellt sich den Arm. Sein Wert in "Gewalt" sinkt um 4 Punkte. Für die nächsten Tage wird er sich nicht mehr so sehr auf seine Kraft verlassen können.


Fertigkeiten

Dieser Teil ist eigentlich optional, ich halte ihn aber für ein gutes Mittel, Charaktere etwas detaillierter auszugestalten.

Eine Fertigkeit besteht aus drei, mehr oder minder frei definierbaren, Stufen:

Für die erste Stufe wählt der Spieler ein eng gefasstes Spezialgebiet. Für Proben, die sich mit diesem Spezialgebiet befassen, erhält der Charakter einen Bonus von +1 zu seinem Erfolgsgrad.

Auf der zweiten Stufe kommt ein etwas breiterer Fachbereich dazu, dem das gewählte Spezialgebiet zuzuordnen ist. Proben in diesem Fachbereich werden mit +1, Proben im Spezialgebiet mit +2 aufgewertet.

Die dritte Stufe erhöht die Boni für Fachbereich und Spezialgebiet auf +2 und +3. Außerdem kann, dazu passend, ein allgemeines Wissensgebiet gewälht werden, das +1 gibt.

Treffen für eine Probe mehrere Fertigkeiten zu, addieren sich die Boni bis zu einem Maximum von +5.

Beispiele für Fertigkeiten der dritten Stufe:

Wissenschaft - Medizin - Gehirnchirurgie
Technik - Fahrzeuge - KFZ-Mechanik
Kampf - Nahkampf - Langschwert


Warum ich diese Regeln mag

Ich schätze an diesem System besonders, dass es trotz seiner Einfachheit in der Lage ist, innerhalb eines Konfliktes Taktik- und Paradigmenwechsel darzustellen, ja die Spieler geradezu dazu nötigt. Die Pfade sind beliebig austauschbar und erlauben nicht nur setting- sondern auch charakterspezifische Philosophien, an die sich, falls gewünscht, ganz einfach weitere Regelmechanismen andocken lassen.

Die konkreten, an Pfade gekoppelten Auswirkungen von Schaden bieten außerdem immer wieder Ansatzpunkte für interessante Beschreibungen. Ich kann einen Charakter ohne seitenweise Sonderregeln in den Wahnsinn treiben, von seinem Glauben abbringen oder auf die dunkle Seite der Macht locken.


[Weiter geht's in Teil 2 mit Methoden der Charaktererschaffung.]

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